Montag, 7. April 2008

Vom Fischsein

„Was würde ich geben, ein Fisch zu sein?“, das war sein letzter Gedanke davor.

Er war hergekommen um etwas zu beenden. Es war einfach geworden. So viel konnte er nicht mit sich herumtragen. Er musste es abwerfen. Er hatte gar keine andere Wahl, auch wenn es ihm verständlicherweise schwer fiel. Schließlich ging es um ihn, denn selbst, wenn das alles nur unnützer Ballast war, war es doch ein Teil von ihm.
Also kam er hier her. Um abzuladen, gewisser weise. Lange hatte er nachgedacht, wohin mit der überschüssigen Last. Schließlich hatte er sich für diesen Platz entschieden. Hier würde sie keiner finden, niemals. Niemand würde hier suchen, niemand sich aufregen.
Worauf wartete er noch? Er wusste es nicht. Doch trotzdem zögerte er. Er wollte sich davon trennen und wollte es auch wieder nicht. Unentschlossen und doch fest entschlossen. Er hing noch so sehr daran. Er rang mit sich selbst und der Welt. Aber in Wahrheit hatte er sich tief im Inneren seiner Seele schon längst entschieden, dem ein Ende zu setzen. Er schindete nur ein wenig Zeit zum Abschied heraus.
Abschied von wem? Wieder etwas, dass er nicht wusste. Es war doch niemand da zum verabschieden der Last. Doch. Er war da, er ganz allein. Und er hatte das Gefühl, auch für andere Abschied zu nehmen.
Was war mit ihm passiert? Wo war der aufgeweckte Junge von früher? Damals, so sagte er sich, ging es ihm gut, nie hatte er sich beklagt, da es nie etwas zu beklagen gab. Doch er kannte seinen großen Fehler. Er hatte nicht mit dem Beklagen begonnen, als es Grund dazu gab. So hatte er immer weiter alles Negative geschluckt und war, wie es schien, nun daran zugrunde gegangen.
Er sprang. Hinunter vom Steg. Das war’s. Ins Wasser tauchte er ein. Eigentlich war es recht warm, doch ihm kam es vor wie Eis. Plötzlich wollte er das alles nicht mehr; er wollte es rückgängig machen, von neu beginnen. Er begann wild mit den Armen um sich zu rudern und panisch zu werden. Er glaubte er würde diese unendlich schwere Last nicht los, nicht einmal jetzt, und glaubte verrückt zu werden. Doch dann war er frei.
Es dauerte nur einen Moment, doch er fühlte sich wunderbar, so leicht. Er vergaß alle seine Sorgen; war sogar ein wenig glücklich. Doch es war schon spät. Zu spät.

„Was würde ich geben, ein Fisch zu sein?“, dachte er und verließ diese Welt.



So, hier haben Sie eine neue, zugegeben, etwas traurige Kurzgeschichte. Ich habe recht lang an ihr gearbeitet und auch beim Abtippen noch hie- und da das eine oder andere umgeschrieben, ergänzt, oder gar gestrichen. Jetzt werde ich mich für neuen Stoff für neue Geschichten umsehen.
Herzlichst,
Tairim

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

diese geschichte gefällt mir wirklich gut!
liebe grüße
matt